Nahsehen statt fernsehen: Willkommen zur Tagesschau

 

Guten Abend mein Gott und willkommen zur Tagesschau!
Es war wie eine Explosion im schläfrigen Trommelfell, als das Jeden-Morgen-fröhliche-Kickericki meines Weckers ertönte. Der Weckton hallte von einer stöhnenden Schädeldecke wider, der der schwere Wein des gestrigen Abend noch im Knochen saß.
So stolperte ich in meinen Tag und hatte schon versagt, bevor ich einen Schritt vor die Tür setzte. Statt grünem Tee, Dinkel-Müsli und ausführlicher Bibellese hatte ich einen dreifachen Espresso in mich geschüttet, um die Lebensgeister die noch immer in meinem Innersten tief schlummerten, zu wecken und schob statt Bibelversen noch zwei Stück Toast dick mit Nutella bestrichen hinterher. Im Bad stellte ich fest, es war leider zu spät zum Haare waschen, da ich mich am Küchentisch damit verweilt hatte, die Fingernägel erdbeer-rot zu lackieren. Ein Tuch um den Kopf geschlungen, Schleife, fertig los.
An der Haustür riss ich mir am Garderoben Haken ein Loch in meinen Lieblingsstrickpulli und hastete und tastete im Treppenhaus nach dem Lichtschalter, den ich mit Frau Müllers Klingelknopf verwechselte. Sorry.
Vor der Tür straffte ich die Schultern in einer steifen Brise Morgenluft. Gut, daß ich mir nochmal die Lunge gefüllt hatte, denn die Achselhöhle die neben mir in der Straßenbahn fuhr, hatte keine Erinnerung an Wasser oder chemische Gerüchevertreiber. Doch immerhin war ich nach unserer Fahrt mit allen Sinnen aufgeweckt.
Der Rest des Tages machte keine besonderen Schlagzeilen. Aber er war bunt wie eine Blumenwiese. Kindertränen trocknen, jede Menge Papierkrieg getürmt auf meinem Schreibtisch und 3 herzliche Umarmungen. Ein Besprechung und 23 E-Mails. Einmal lauthals gelacht. Ein nettes Gespräch, ein Grosseinkauf, ein Moment Tagträumen an der roten Ampel, einen alten Kollegen getroffen. 3 Stoßgebete, 4 Mal geärgert und die Gänseblümchen bestaunt, bevor ich den Rasen mähte.
Er war laut gewesen mein Tag, voll gestopft, manchmal gehetzt, hatte mich in Atem gehalten.
Jetzt am Ende öffne ich dem lauwarmen Abendrot beide Fensterflügel, sinke auf mein blumenfrohes Sofakissen und lege die Beine hoch.
Sportnachrichten fallen heute leider aus. Ich keuchte lediglich  zweimal die Treppe zum Hausmeister hinauf, nachdem ich meinen Schlüssel vergessen hatte, aber erzielte dabei außer etwas Herzrasen keine spektakulären Ergebnisse.
Nun noch zu den Lottozahlen: ich fühle mich nicht, als hätte mein Heute das große Los gezogen, doch wenn ich hier so sitze mit dir mein Gott und du den Himmel so feuerrot malst für mich, dann ist mir, als wäre ich im Vergleich mit so vielen eine Gewinnerin, unverdient beschenkt auch ohne die Sechs Richtigen. Ich habe gelebt und geliebt heute, Siege errungen, den Teufel davongejagt, versagt und versäumt, bin manchmal unmutig statt mutig gewesen, dachte oft mehr an meine Komfort Zone statt an dein Reich. Ich habe dich ein paar Mal vor der Tür stehen lassen, statt dich einzuladen. War mehr bemüht, gut dazustehen als deine Stimme zu hören. Doch du füllst alles Minus auf, deine Gnade wäscht wie ein nasser Tafelschwamm über jede offene Rechnung und was bleibt, ist ein reines Gewissen, das sich friedlich aufs Kopfkissen betten kann.
Und zuletzt noch zu den Wetteraussichten: Stürme sind zu erwarten in den nächsten Tagen, bei wechelnden Temperaturen. Doch schon mal danke Gott, du wirst der gleiche sein, der Gott aller Wetterlagen. Deine Gnade wird morgen früh um 6 wieder neu auf mich warten und deine Sonne scheinen auf alle meine gerechten und ungerechten Momente.
Danke für deine Aufmerksamkeit mein Gott. Du interessiert dich für alle meine Tage, notierst sie in deinem Buch, auch wenn sie nicht alle Schlagzeilen machen. Du schaltest nicht gelangweilt zum nächsten Kanal, wenn sich einfach nur Alltag ereignet hat. Für dich ist Nachricht was meine kleine Welt beschäftigt. Für dich war ich heute abend gerne Nachrichtensprecherin.
Ich wünsche dir noch einen schönen Abend mein Gott und ich melde mich morgen wieder bei dir mit den Tagesthemen.

 

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