Du kannst mich heute mal!

 

Welt, du kannst mich heute mal!

Befriedigend hallt das laute Knallen der Zimmertür in meinen Ohren. Ha, überlistet! Ich habe dich ausgesperrt. Hier kommst du nicht herein. Meine Seele stemmt sich von innen gegen die Tür und ignoriert dein penetrantes Klopfen. Auch vor der Tür plapperst du mich noch voll mit deinem wichtigtuerischen Dies und Das, doch ich stopfe mir die Finger in die Ohren und stimme ein lautes Lied an. Ich weiß, irgendwann wirst du aufgeben und dich geschlagen auf die Treppe vor meinem Zimmer setzen und mich einfach für eine Weile in einer anderen Welt leben lassen.  Gut so! Denn auch wenn du immer so aufdringlich dringlich bist – heute musst du dich leider geduldig hintenanstellen. Und warten.

 

Warten mit deiner ganzen endlosen Liste von buntgewürfelten Wäschebergen, haushohen Ansprüchen,  überwucherten Unkrautbeeten, jagenden Terminen fürs Zwergenballet und Ponyreiten, ungelesenen Emails, Großeinkäufen und Gute-Nacht-Geschichten, bei denen mir als Erster die Augen zufallen.

Von perfekter Zahnhygiene, über zu jeder Zeit schneeweiße Toilettenbrillen bis hin zum Apfelkuchen der bis in den hintersten Krümel selbstgemacht schmecken muss, hast du mich vor dir hergejagt die letzten Tage und ich sag dir eins: Welt, heute kannst du mich mal!

 

Heute muss mein Inneres mal wieder glattgebügelt werden und der Herzschmerz verbunden. Die Seele muss gefüttert werden und die Risse im Nervenkostüm mal Beachtung kriegen. Heute stelle ich sicher, dass du Welt keinen Fuß in die Tür kriegst, bis ich beschließe, wieder aus meinem Zimmer zu  kommen.

Mein Zimmer, es ist sparsam möbliert. Nur ein kleiner Schreibtisch, eine Kaffeemaschine, ein paar Bücher und eine Hängematte, meine kleine heilige Welt in der es nur meinen Schöpfer und mich gibt. In der wir immer irgendwas finden zum Bestaunen und Bewundern, wo wir ins Träumen geraten. Oder etwas Neues erschaffen, das es vorher noch nicht gab. Oder wir erfinden neue Worte. Und dann sehen wir uns beide an und lachen, denn es ist sehr gut.  Manchmal auch nicht, und dann beginnen wir nochmal von vorne und das ist nicht schlimm, weil Zeit hier nicht so eine allmächtige Rolle spielt. Schließlich haben wir ja noch alle Ewigkeit.

Hier kann ich mir von der Seele reden, was mich umtreibt und muss mich nicht mal kurz fassen. Kann aufgestaute Tränen weinen und in meinem Frust einfach mal herumschreien. Und hier sagt keiner: „Jetzt reiß dich mal zusammen“. Hier genügt das, was ich bin und kann vollkommen. Die Lasten, die du Welt mir auf meine Schultern gehäuft hast, stopfe ich einfach wie einen alten ausgedienten Rucksack in den Schrank.

Manchmal schweige ich einfach, genieße den Klang seiner Stimme oder gönne meiner Seele mal ein Nickerchen. Mitten am Tag.

 

Das hier, mein kleines heiliges Zimmer ist mein Vorgeschmack auf eine andere Welt, wo mich keiner mehr hetzen wird und meine ganze To-do-Liste aus einer einzigen Zeile bestehen wird: Mich an dir, mein Gott zu freuen. Herrlich. Da freu ich mich drauf.

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