Liebesgeschichte

 

Ich habe mich damals wirklich Hals über Kopf verliebt. Schon so lange hatte ich nach der Liebe meines Lebens gesucht, hatte davon geträumt, endlich den Richtigen zu finden. Ab und an war mir ein Frosch über den Lebensweg gehüpft, doch leider verwandelte sich keiner durch meinen Kuss in einen schönen Königssohn. Doch als er – die große Liebe – mir schließlich in die Augen sah und mir die ewige Treue schwor, fühlte sich mein Herz an, wie ein vor Glück berstender Ballon.

 

Es war Liebe auf den zweiten Blick, denn eigentlich kannte ich ihn schon längst vom Hörensagen. Wenn andere über ihm redeten, schieden sich an seiner starken Persönlichkeit die Geister. Einige hatten nicht viel Schmeichelhaftes über ihn zu sagen – vielleicht weil er keiner war, der sich anpasste, sondern seine Meinung recht kompromisslos vertrat.  Doch irgendwie schön bescheuert, dass ich mir aufgrund anderer Leute Geschwätz ein Urteil über ihn gebildet hatte. So blieb ich auf Sicherheitsabstand und hatte tatsächlich bis zu dem Moment als er mein Herz eroberte, noch nicht viele Worte mit ihm gewechselt.

 

So wirklich begegnete ich ihm zum ersten Mal in einer finsteren Nacht. Ich war schon früh morgens losgezogen. Ohne Führer unterwegs wollte ich mir selbst beweisen, dass ich dieser Berg- und Talfahrt mit ihren Tücken gewachsen war. Doch irgendwie war ich mittendrin vom Weg abgekommen und auf die falsche Fährte geraten.  Übergewichtiges Reisegepäck hing mir bleischwer an den Schultern. Die Wegweiser erwiesen sich als mehr verwirrend denn hilfreich und meine innere Kompassnadel begann panisch zu rotieren.  Und als schließlich spätabends die Dunkelheit über mir zusammenbrach, konnte ich mich kaum mehr auf den Beinen halten, halluzinierte vor Erschöpfung. Ein wahres Wunder, dass ich nicht in gefährliche Schluchten oder über unvorhersehbare Klippen stürzte. Der Proviant war aufgezehrt, die Seele halb verhungert. Einzig die Sterne befunkelten als gleichgültige Beobachter meinen Irrweg.

Meilenweit wollte sich mein Stolz, der alte Unabhängige nicht eingestehen, dass wir beide schon lange keinerlei Orientierung mehr hatte. Die Scham kämpfte gegen den Hilferuf.

Der Boden unter meinen Füssen schwankte verunsichert. Ich war in einen Sumpf geraten, schwarzer Morast quoll meine Beine nach oben, als wollten mich die Geister der Unterwelt in ihre Fänge ziehen. Todesschatten spielten zwischen den Bäumen. Die Hoffnung gerettet zu werden, fiel kopfüber in den Abgrund. Jetzt war es nur noch ein verzweifelter Schrei, den die Todesangst aus meinem Innern stieß. Ich wusste, ich war verloren.

 

Ich wähnte mich völlig allein, doch die Stimme, die mich einholte, klang unglaublich nah. Eine Silhouette zeichnete sich im fahlen Mondlicht ab, die mit kraftvollen Bewegungen mir zwei rohe Balken in den Sumpf entgegenschob, in ihrer Mitte zusammengenagelt. Meine Fingerspitzen streckten sich mit letzter Kraft dem Holz entgegen. Er zog mich zu sich. Hielt mich fest, als ich weinend in seinen Armen zusammenbrach. Er streifte die Last von meinen Schultern, die ich mit mir geschleppt hatte.

Obwohl an seinen Händen und Füssen ebenfalls merkwürdig viel Blut klebte, trug er mich den langen Weg in seinen Armen zurück wie ein verloren gegangenes Kind. Für mein Wohlergehen schien ihm die eigene Sicherheit zweitrangig. Er wärmte behutsam meine kalten Wangen und strich die salzigen Tränen weg. Sein fester Blick flößte meinem zu Tode erschreckten Herzen Ruhe ein. Und ich hörte seine Worte durch meine von Müdigkeit vernebelten Gedanken: Wie seine Sorge um mich ihn getrieben hatte, sich selbst auf den Weg zu machen um mich zu suchen.

Der Rest ist schnell erzählt. Seit jener Nacht bin ich nicht mehr von seiner Seite gewichen. Er ist mein Held, mein Ritter auf dem weißen Pferd, mein Ein und Alles, meine bessere Hälfte, mein Herzenskönig. Ihm verdanke ich mein Leben; und habe eigentlich erst durch ihn verstanden, was Leben wirklich ist. Jetzt sehe ich die Schönheit, mit der alles geschaffen ist.

 

Viele Gipfel und Täler sind wir seitdem durchwandert. Waren unzertrennlich, trotz der Welten die uns trennen. Ich liebe seine Großherzigkeit, seine scheinbar endlose Geduld, seine Unschuld und Leidenschaft, seine großen Pläne und seine kraftstrotzenden Worte und Taten. Ich liebe seine revolutionären Ideen die Welt zu verbessern, das Robin-Hood-Herz das für Gerechtigkeit pocht und die Armen beschenkt. Seine Zartheit und seine unbändige Stärke. Ich fürchte kein Unglück, denn er ist bei mir. Und umso mehr ich verstehe wer er ist, um so öfter kneife ich mich und denke: Ist das nicht alles zu gut um wahr zu sein?

Eigentlich habe ich keine Ahnung, warum er ausgerechnet mich auserwählt hat, denn manchmal denke ich verschämt: Er hätte wahrlich etwas Besseres verdient!  Ich weiß, ich bin bei weitem nicht perfekt. Vielleicht bin ich eine typische Frau, die über die Schönheitsflecken und Speckröllchen nie hinwegsehen kann. Danach strebt perfekt zu sein. Und in Furcht vor dem Moment lebt, indem dem Geliebten die rosarote Brille wie Schuppen von den Augen fällt. Doch an diesen Zweifel-Tagen knufft er mich lachend in die Seite und scherzt: „Wo die Liebe eben hinfällt.“ Für ihn sind wir zusammen vollkommen – und er hat mir das schon so oft ins Ohr geflüstert, dass ich wahrhaftig anfange, es langsam zu glauben. Er will mich bei sich haben, mich anderen bekannt machen, aller Welt meine Schönheit zeigen. Der Gedanke an ihn füttert mein Herz in den einsamen Stunden und zaubert mein Lächeln zurück, wenn diese lieblos-realistische Welt die Augen rollt, weil sie nur das glauben will was sie sieht.

 

Seit Jahren ist er damit beschäftigt, eine Wohnung für uns vorzubereiten. Er redet immer wieder davon, wie wunschlos glücklich wir dann sein werden. Manch zweifelnder Blick streift mich, wenn ich davon rede. Als wäre sein Versprechen nichts als ein Luftschloss in den Wolken. Doch mein Glaube an unserer Liebe lacht ihnen ins Gesicht: Nein, nichts und niemand wird mich jemals von ihm trennen. Unsere Liebe ist für die Ewigkeit. Er ist mein Märchen mit Happy-End. Denn selbst wenn wir gestorben sind, werden wir für immer leben.

Ach, sag mal ehrlich: Kann eine Frau tatsächlich so unverschämt viel Glück haben?!

Kommentar schreiben

Kommentare: 0