Gekrönte Häupter

 

Ich habe mal ein paar schöne Jahre auf der Insel gelebt, die jetzt nicht mehr Teil der Familie Europa sein will. Untrennbar zu diesen höflichen Briten gehört für mich ihre immer würdevoll winkende Queen.

Glanz und Gloria ihrer königlichen Familie stopft weltweit den Mund der Paparazzi und füllt farbenfroh die Klatschblätter und Sehnsucht des Otto-Normalverbraucher nach ein wenig royalem Glamour. Denn nun mag man ja seine deutschen Staatoberhäupter sogar mögen, doch Hand aufs Herz: Weder mit Angela Merkel noch mit irgendwelchen mit ihr einhergehenden Schlipsträger lässt sich wirklich einen Staat machen.

Die Queen scheint so lange im Dienst, als hätte sie schon von Noahs Arche gewunken. 13 Premierminister, 2 Weltkriege, unzählige Krisen und einen halben Brexit hat ihr gekröntes Haupt überdauert. Doch ich habe mir neulich mal die Mühe macht, die alten rissigen Filme ihrer Stunde null zu bemühen. Da kniet in berührenden Momenten eine blutjunge, unerfahrene Frau vor ihrem Bischof, wie um von Gott selbst die Krone Englands zu empfangen.Und in diesem feierlichen Moment verändert sich ihre ganze Haltung. Das Gewaltige der königlichen Berufung prägt plötzlich ihre Züge. Spiegelt eine Ernsthaftigkeit, die um Königswürde weiß.

 

Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass vor allem uns Frauen eine Faszination für gekrönte Häupter in die Wiege gelegt ist.Ich sitze beim Arzt und die Nebenfrau studiert ausführlich die royalen Neuigkeiten rund um den Globus. Königliche Roben werden begutachtet, öffentliche Fehltritte leidenschaftlich diskutiert und jedem königlichen Babybauch entzückte Aufmerksamkeit geschenkt. Meine eigene Mutter scheint über Details aus königlichen Haushalten besser informiert als über deutsche Staatspolitik.

Ehrlich gesagt – ich glaube diese Faszination ist in uns hineingeschaffen. Die Sehnsucht nach dem Besonderen, dem Auserwählten. Dem, was sich von der 0-8-15-Masse abhebt. Vielleicht ist da noch so eine Ahnung, ein uralter Überrest in unsere Zellen hineingewebt von dem Augenblick, in dem wir geschaffen wurden.

 

Damals war Gott schon gut fünf Tage damit beschäftigt gewesen, klitzekleinste Moleküle in verschiedenen Kombinationen zu etwas Gewaltigem zusammenzufügen. Umhüllte diese unscheinbare Erdkugel mit dem Mantel eines riesigen Universums und befestigte Lichtjahre entfernt ein diamantenes Sternenfirmament, um uns jede Nacht zu erfreuen. Er schuf kunstvoll-winzige Eiskristalle, bildhübsche Sternanemonen und haarige Kokosnüsse. Unendliche, türkisblaue Meere und atemberaubend majestätische Bergketten. Hauchte Leben in die zarten Flügel des gerade geschlüpften Schmetterlings und amüsierte sich über das erste Schimpansenbaby. Er schuf Eintagsfliegen – so komplex, dass ich Jahre studieren müsste alles über sie zu wissen und eine regenbogengleiche Farbenpracht in der Unterwasserwelt, die lediglih aufblitzt wenn sich ein Sonnenstrahl in ihre Tiefen verirrt.

 

Und dann steht der Allmächtige am Ende der Arbeitswoche – da wo ich mich gewöhnlich müde kaum noch für große Taten aufraffen kann – mit hochgekrempelten Ärmeln und lacht begeistert in sich hinein: Denn heute, am letzten Arbeitstag, hat er sich nochmals selbst übertroffen! Alles war gut, doch heute geschah das Beste. So viele göttliche Ideen erwachten dieser Tage zum Leben, doch zum Schluss heute hat er sich seinen großen Traum erfüllt: Er schuf mich. Und krönte damit alles, was er bisher gemacht hat. Ich bin die Krone seines Schaffens, sein Meisterstück. Mit meinen Lachfalten, großen Gefühlen, ergrauten Haarsträhnen, Speckröllchen und viel Sehnsucht im Herzen – ein detailversessenes, perfektes Abbild seiner Selbst. Und wenn ich über diese Krönung nachsinne, bleibt mir tatsächlich der Mund offenstehen.

 

Im nicht so majestätischen Tagtäglichen allerdings, da gleiche ich oft mehr einem putzigen Erdmännchen, das sich zwar ab und zu beherzt aufrichtet und seine Nase in den Himmel reckt, doch die meiste Zeit wühlen sich meine Augen durch den trockenen Wüstensand meines unspektakulären Alltags. Hier gibt’s wenig Glanz und Glitter. Mein Wäscheraum riecht muffiger als ein königlicher Thronsaal und der Familientisch erinnert nach den Mahlzeiten mit Kleinkindern nicht direkt an eine royale Festtafel.

In meiner Nichts-desto-trotz-Sehnsucht mich von der Masse abzuheben, greife ich schnell mal zu billigen Plastikkronen und zerbrechlichen Krönchen, um mein Haupt aufzuwerten. Stümperhafte Versuche das beste Muttertier, die sündloseste Heilige oder die perfekteste Hausfrau zu sein. Mit anderen zu vergleichen, was ich bin und habe – Künste, Ehrenamt und Einfamilienhaus. Immer mit dem Herzenswunsch, doch als etwas Besonderes gesehen zu werden.

 

Ach, der Weg seiner göttlichen Krone bis in unser menschliches Herz scheint manchmal so endlos lang!

Und so missgönnen wir Königskinder unserem Nächsten seine Schönheit, verurteilen seine Größe, empören uns, dass sein Verhalten dem allem ja wirklich die Krone aufsetzt. Wir sitzen selbsternannt zu Gericht wo Gott schon ein unanfechtbares „Sehr-gut-Urteil“ gesprochen hat und halten unseren Applaus zurück in der Angst, uns könnte ein Zacken aus der Krone fallen. Wir treten die Königswürde mit Füssen – statt in heiliger Tradition zu feiern, dass wir allesamt und unverdient mit Gnade und Barmherzigkeit gekrönt sind.

 

Wann werde ich und du verstehen, dass wir schon alles sind und haben, wonach wir uns so sehnen? Dass der liebevolle Blick des Schöpfers noch immer auf mir ruht, selbst während ich neidvoll auf die Portion der anderen schiele? Dass mein Dasein sein Herz noch immer schneller hüpfen läßt und er sein göttliches „Sehr-gut“ über meinem Leben nie revidiert hat?

 

Tochter des Allerhöchsten, rechts, links, lass uns seinen Pakt machen, einen Bund schließen! Lasst uns füreinander die Menge der 3 Millionen Begeisterten sein, die damals nach feierlicher Zeremonie Londons Straßen für die junge Queen Elisabeth säumten. Lasst uns füreinander Zeugen sein, die die Berufung der anderen bejubeln.Lass uns mitten im staubigen Alltag laut eine königliche Fanfare blasen, uns an unsere Krönung erinnern, unsere Würde feiern und dem Gott Glauben schenken, der gleichzeitig Sehnsucht und Erfüllung in unser aller Herz gelegt hat, wahre Königstöchter zu sein!

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